Um 6.50 Uhr werde ich wach.

Die Sonne scheint. Uli ist schon aufgestanden. Klara schläft noch. Jette wird wach. Sie öffnet ihre Augen. Schließt sie wieder. Schaut mich an. Dreht sich zu mir. Lacht. Welch ein Glück! Jette. Jeden Morgen ihr Lächeln. Ich küsse sie. Sage, welch ein Glück.

Der 5. Mai 2018 ist heute. Ich stehe mit ihr auf. Wir frühstücken. Nur wenig. Zu aufgeregt. Schnell ein Toastbrot. Kaffee. Tee. Duschen. Anziehen. Schick machen. Nur nicht so dunkel anziehen Anne, sagt Uli. Gut, sage ich gut. Dann ganz hell. Klara zieht ihr Lieblings-Shirt an. Das Logo von Hogwarts. Jette bekommt den gepunkteten Anzug an. Der macht gute Laune. Wir gehen los. Los zur Straßenbahn. Sie kommt gleich. Müssen nicht warten. In der Bahn.

Die Fahrt kommt uns so lang vor. Aufgeregt sind wir. Uli schaut auf die Uhr. Immer wieder. Nicht zu spät kommen und nicht zu früh da sein. Die Sonne scheint. Wir sind da. Ganz aufgeregt und leise bin ich. Ankommen. Orientieren. Anstellen. Nach Namen die Anmeldung. Dann sage ich unseren Namen. Neustadt. Sie blättert. Ich sage: 22 Monate. Sie blättert. Sagt, steht nicht drauf. Ich kann ihn nicht finden. Den Namen. Jemand sagt, ach, ihr seid doch die Preisträger! Ihr gehört dorthin. Gehen zu einem anderen Tisch. Ich. So leise. Flüstere. Neustadt. 22 Monate. Wie bitte? 22 Monate. Ah, schön dass ihr da seid!

Plötzlich fühle ich mich aufgehoben. Dazu gehörig. Als hätte sich etwas geöffnet. Am Vormittag Vorträge. Viele Menschen. So herzlich Alle miteinander. Umarmungen. Ein Schön-dich-zu-sehen. Dann gehen wir spazieren. Pause machen. Gehen auf den Spielplatz.

Zum Mittag sind wir wieder da. Alu kommt zu uns. Sagt, schön. Ihr seid da. Esst. Fühlt euch wohl. Fast wie nach Hause kommen, denke ich. Freue mich. Berühre ihren Arm. Sage, aufgeregt bin ich. Sie sagt, müsst ihr nicht. Entspannt. Genießt. Seid halb sechs einfach da. Gut, sage ich. Gut.

Nach dem Mittag ein Vortrag von der Schlagfertigkeitsqueen. Wir lachen. Mir laufen Tränen vor Lachen. Laufen und laufen. Schön ist das. Dann spielt eine Band. Klara und Uli hören zu. Jette ist es zu laut. Jette und ich wandeln durch die die Räume. Zünden in der Kapelle eine Kerze an. Für Josef. Mein Josef. Unser Josef.

Am Nachmittag besuchen wir einen Workshop. Über Hate Speech. Vorher spreche ich Konstanze Marx an, die Referentin. Eher zufällig. Weil wir so stehen an der Halle. Sie schaut auf mein Schild. Sie sagt, 22 Monate. Ihren Blog. Den lese ich. Ah, sage ich. Ja. Anne. Das bin ich. Wieder Aufregung in mir. Dann verflogen. Irgendwie verflogen. Wir sprechen über den Blog. Es ist schön.

Der Workshop wertvoll. Ins Gespräch kommen mit Nina und Jochen. Uli fühlt sich wohl. Klara auch. Dazu gehören wir. Irgendwie dazu. Mit unserem Josef. Das ist schön. Dann der Politiktalk. Die Aufregung ist wieder da. Steigt von unten nach oben und von oben nach unten. Jette wird auch ganz aufgeregt. Klara auch. Uli erst recht.

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Dann die Verleihung des Blogfamilia Awards. Tränen vor Rührung. So berührt von Falk. Wir gehen alle hoch. Und dann keine Worte. Kann sie nicht finden. Dann doch Worte. Uli auch. Umarmungen. Tränen und Rührung. Berührt sein. Ganz berührt. Aufgehoben in der Verletzlichkeit. So aufgehoben. Dazugehörig.

Wir gehören dazu, Uli. Wir gehören dazu. Sind hier nicht die Anderen. Die mit ihrem schmerzhaften, schwierigen Blog. Über ihren schwerstkranken Josef. Nein. Wir gehören dazu. Werden angenommen. Bekommen einen Award. Wie kann das sein, Uli? Wie kann das sein? Ein Award für Josef bekommen wir. Für die Trauer. Für das Leben.

Uli sagt, Sichtbar machen. Sichtbar machen, wie es wirklich ist, Anne. Für Josef und die vielen anderen Kinder. Wie kraftvoll. Wir betrinken uns an der Herzenswärme. Tränen in den Augen. Umarmungen. Berührungen.

Ein Ich-lese-auch-euren-Blog, morgens, im Bus. Ganz leise. Lese ich den. Danke. Immer wieder Danke. Danke und Danke. Nicht genug Danke.

Auch wir gehören dazu. Die Josef-Familien, die vielen. Unsichtbaren. Auch wir gehören dazu. Sind nicht allein. Danke dafür! Euch Allen. Ihr Herzensmenschen! Dann fällt alles ab. Die ganze Anspannung ist weg. Abgefallen. Weggeflossen. Müde nun. Müde. Fahren nach Hause. Glücklich und müde.