„Wie wichtig ist es doch, Erinnerungen zu schaffen!“

Thomas Sitte ist Arzt und ein sehr bekannter Experte für Palliativmedizin. Er begleitet lesend unser Projekt seit längerer Zeit. Seine Worte über uns auf seiner Webseite hier. Wir freuen uns sehr darüber, dass er seine Gedanken zu „22 Monate“ in diesem Werkstattbeitrag mit uns teilt und drei Fragen beantwortet.

Was bewegt Sie an unseren Projekt?

Viele Eltern, die ein Kind verlieren, ziehen sich danach eher in sich selber zurück, zumindest kommen sie nicht so ohne weiteres auf den Gedanken, öffentlich über das Sterben zu berichten. Dabei wäre es so sehr hilfreich, denn Reden hilft.

Hilfreich einerseits für die eigene Bewältigung dieser extrem schwierigen und belastenden Situation. Andererseits würde es der Gesellschaft helfen, überhaupt nach und nach zu wissen, was da passiert. Wo man hinhören muss um zu hören, was not tut. Wo man vielleicht auch mal aktiv Hilfe anbieten kann.

Und es würde ganz, ganz viel anderen Betroffenen helfen, die eher zu selten danach suchen um zu verstehen, was da eigentlich gerade mit Ihnen selber geschieht. Natürlich empfinden und reagieren nicht alle betroffenen Eltern in so einer Situation identisch. Aber doch geschieht einiges sehr ähnlich.

Was können Sie als Palliativmediziner für Ihre Arbeit mitnehmen?

Ich selber begleite palliativ jetzt gut 40 Jahre, da habe ich halt schon arg viel gesehen und erlebt, so dass für mich in solchen Berichten nicht viel Neues zu finden ist.

Klara und Josef im Kinderhospiz
Klara und Josef im Kinderhospiz (© 22MONATE)

Aber eines ist mir noch einmal ganz stark bewußt geworden. Wie wichtig ist es doch, Erinnerungen zu schaffen! Wir sollten viel mehr aufschreiben, die modernen Medien nutzen, mit dem Smartphone eben das Leben fotografisch einfangen, videographieren, kleine Dinge aufheben.

Es gibt eine Technik, die sogenannte Dignity Therapy, wo wir anhand von standardisierten Interviews mit dem Patienten das Leben eines Sterbenden aus verschiedenen Perspektiven für die Hinterbliebenen dokumentieren. Das ist eine wunderbare, bewegende Arbeit. Warum nicht so etwas mit den Eltern von lebensbegrenzend erkrankten Kindern machen?

Sehen Sie eine Relevanz unseres Projektes für die tägliche Arbeit von Fachkräften?

Hier sehe ich eine ganz, ganz besondere Relevanz. „22 Monate” vermittelt behutsam und direkt zugleich diese unglaubliche emotionale Achterbahnfahrt betroffener Familien auch und gerade für Laien und Menschen, die mit dem Thema bislang wenig befasst waren.

Das wird hier und da dazu führen, dass sich Fachpersonal für diese Arbeit interessiert, die sonst nicht dazu gekommen wären. Denn wir brauchen noch viel, viel, viel mehr Fachpersonal.

Eher nicht die ganz jungen, sondern eher die lebens- und berufserfahrenen Älteren, die vielleicht bislang auf ganz anderen Gebieten gearbeitet haben. Ich denke, gerade solche Menschen können hier einen Impuls bekommen. Und dann ist so ein Blog auch eine exzellente Quelle für die Aus-, Weiter- und Fortbildung!

Herzlichen Dank für diese Impulse!

Ein Gastbeitrag von Dr. med. Thomas Sitte (www.doc-sitte.de), Palliativmediziner und Vorstandsvorsitzender der Deutschen PalliativStiftung

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