, Zu Hause 2

Ich schalte den Wecker aus. Es ist 6.40 Uhr. Die Katze liegt auf Ulis Sachen. Die Katze, denke ich. Keinen Platz für sie in uns. Klara schläft noch. Uli ist wach. Die Tür klappert. Ich warte.

Stehe auf. Gehe ins Bad. Wasche mich. Kaltes Wasser in meinem Gesicht. Kaltes Wasser. Ich gehe in die Wohnküche. Setze Wasser auf. Für Tee. Kaffee. Gehe auf den Balkon. Es ist still. Wochenende. Keine Kinder. Keine Eltern. Kein Fuchs.

Ich gehe in Josefs Zimmer. Er schläft. Herzfrequenz 110. Sauerstoffsättigung 96. Die Schwester sitzt auf dem Sofa. Dokumentiert. Ich streichele Josefs Kopf. Küsse ihn. Frage nach der Nacht. Josef schlief durch, sagt sie. Die Herzfrequenzen waren sehr niedrig. Die Sauerstoffsättigung war gut. Kein Fieber. Keine Krämpfe. Gut, sage ich. Gut.

Die Schwester räumt. Spült. Wechselt aus. Zieht auf. Josef, mein Josef. Uli kommt. Wir erzählen noch kurz. Verabschieden sie. Schlaf gut. Danke.

Uli holt den Kaffee. Ich öffne das Fenster. Wir setzen uns zu Josef. Er schläft. Seine Atmung ist ganz ruhig. Als wäre alles in Ordnung. Alles gut. Ich weiß, es ist nicht so. Bin angespannt. In der Erwartung von.

Einatmen und Ausatmen. Jetzt ist jetzt. Josef hat gute Werte. Seine Atmung ist ruhig. Klara fragt, ob sie fernsehen darf. Ja, sag ich. Ja. Es ist doch Wochenende. Ich decke den Frühstückstisch. Uli holt Brötchen. Vom Bäcker.

Josef wird wach. Ich schalte den Monitor aus. Inhaliere Josef. Sauge ab. Inhaliere noch einmal. Seine Atmung ist angestrengt. Das Sekret ist fest und zäh. Josef, mein Josef. Als löse er sich ab. Von seinem Körper. Mehr und mehr. Ich küsse ihn. Halte ihn.

Ziehe Josef vorsichtig um. Ganz vorsichtig. Dabei bin ich still. Immer still. Und weiß nicht warum. Wir frühstücken. Josef in meinem Arm. Ich gebe ihm seinen Morgenbrei. Tee. Medikamente. Küsse.

Uli bringt Klara zum Kinderhospiz. Heute machen sie einen Ausflug. Mit den Geschwisterkindern. Es wird Pferde geben. Ein Feuer. Sie werden reiten. Mehr weiß ich nicht. Für mehr Informationen ist kein Platz in mir. Josef schläft in meinem Arm. Ich lege ihn auf das Lagerungskissen.

Uli packt Josefs Sachen. Die Absauge. Wickeltasche. Tee. Medikamente. Brei. Ich ziehe Josef an. Lege ihn in den Rehabuggy. Wir fahren los. Mit der Straßenbahn. An den Stadtrand. Das Wetter ist angenehm. Herbstlich. Die Bäume sind bunt. Die Luft ist schön. Eine schöne Luft für Josef. Etwas feucht. Gut für seine Atmung. Josef, mein Josef.

Wir laufen. Laufen und laufen. Durch das Naturschutzgebiet. Sind still. Reden wenig. Laufen. Es tut gut. Zu laufen. Im Laufen zu begreifen. Kaum auszuhalten. Das Sitzen und Warten. Wir kommen an einem Fest vorbei. Ein Erntefest. Wir fallen kaum auf. Mit Josef.

Wir essen Erbsensuppe mit Kassler. Josef bekommt seinen Brei. Tee. Medikamente. Das Sekret läuft mäßig. Uli saugt Josef ab. Seine Augen sind halb offen. Oder geschlossen. Josef, mein Josef. Ich habe das Gefühl, er ist da. So wie er gerade da sein kann. Ich küsse ihn. Halte seine kleine Hand. Josef, mein Bär. Wir fahren mit der Straßenbahn zurück.

Zu Hause. Josef wird inhaliert. Abgesaugt. In mir. Durchlässigkeit. Traurigkeit. Dankbarkeit. Für diesen Tag mit Josef. Für diese Bilder in mir. Josef. Mit uns auf einem Erntefest. Nicht nur die Bilder. Josef zu Hause. Sondern auch.

Josef schläft ein. Ich lege ihn auf das Lagerungskissen. Setze mich zu ihm. Lege meinen Kopf neben seinen. Spüre seinen Atem. Seine Anstrengung. Die Kraft, mit der er atmet. Wieviel Kraft es ihn kostet. Einatmen und Ausatmen. Josef, mein Josef.

Uli holt Klara ab. Vom Kinderhospiz. Wartet eine lange Weile. Dann kommen sie. Klara ist glücklich. Zufrieden. Es war ganz schön, sagt sie. Leider waren die Geschwisterkinder nicht mit. Ich decke den Abendbrottisch. Brot. Käse. Tomaten. Gurke. Josef bekommt seinen Abendbrei. Tee. Medikamente.

Wir schauen zusammen fern. Im Schlafzimmer. Josef in Klaras Arm. Bruder und Schwester. Wie schön. Klara liest uns vor. Uli macht das Hörspiel an. Wir setzen uns ins Wohnzimmer. Josef auf meiner Brust. Einatmen und Ausatmen. Wir atmen schon lange nicht mehr zusammen. Schon lange nicht mehr.

Um 21.30 Uhr klingelt es. Die Schwester. Josef ist wach. Spannt sich an. Ich mache das Körnerkissen warm. Lege es auf seinen Bauch. Die Schwester legt ihn auf ihren Schoß. Öffnet die PEG. Damit Luft entweichen kann.

Es wird nicht besser. Mit seiner Anspannung. Josef, mein Josef. Er bekommt Schmerzmedikamente. Schläft ein. Nach einer Stunde. Die Schwester legt ihn in sein Bett. Herzfrequenz 98. Sauerstoffsättigung 99. Wir gehen ins Bett. Schlaf.

Zuletzt aktualisiert am: 24.12.2019


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