, Zu Hause 1

5.30 Uhr, der Wecker klingelt. Ich pumpe Milch ab. Klara und Uli schlafen noch. Klara scheint sich an das Pumpgeräusch gewöhnt zu haben. An was wir uns alles gewöhnen. Erstaunlich.

Ich gehe ins Bad. Wasche mich. Gehe in die Küche. Stelle die leeren Milchflaschen in den Geschirrspüler und die vollen in den Kühlschrank. Ich setze Wasser für Kaffee und Tee auf. Ich decke für mich den Tisch. Eine Schüssel für das Müsli. Heute werde ich zum Seminar fahren. Es versuchen. Irgendwie.

Ich gehe ins Wohnzimmer. Josef schläft im Arm der Schwester. Ich berühre ihn sanft am Kopf. Wie war die Nacht? Bis 4.30 Uhr war es ruhig. Dann war plötzlich die Sauerstoffsättigung sehr schwankend. Sie war kurzzeitig bei 91%. Dann nieste Josef und es war viel Sekret abzusaugen. Danach hat sich die Sättigung wieder stabilisiert. Jetzt schläft er. Gut, sage ich.

Ich gehe ins Schlafzimmer und wecke Uli. Gehe wieder in die Küche. Esse schnell etwas im Stehen und trinke Kaffee. Den Tee fülle ich mir in eine Kanne und nehme sie mit. Die Milchpumpe muss ich noch einpacken.

Zurück ins Schlafzimmer. Klara ist wach. Guten Morgen, meine Sonne. Ich packe die Pumpe ein. In der Küche dann die Milchflaschen und den Tee. Meine Unterlagen hole ich auch noch. Dann verabschiede ich mich. Küsse Josef sanft. Habt einen guten Tag!

Uli setzt sich mit seinem Kaffee zum schlafenden Josef. Zusammen mit der Schwester gehe ich los. Wir haben den selben Weg zur Bahn.

Wir erzählen etwas. Es ist schön. Ich frage, wird Ihnen die Fahrt zu uns bezahlt? Nein, sagt sie. Oh, denke ich. Ihr macht es nichts aus. Sie arbeitet gern bei uns. Ich wünsche ihr einen schönen Sonntag und guten Schlaf, als wir uns trennen. Bis heute Abend!

Im Seminar fühle ich mich wie in einer anderen Welt. Ich höre zu. Verhaltenstherapie Techniken Teil II. Mein Telefon liegt neben mir. Ständig schaue ich rauf. Uli ruft an, wenn was ist.

In den Pausen rufe ich sofort zu Hause an. Alles gut, versichert mir Uli. Alles gut, Anne, sagt er. Gut, sage ich. Dann pumpe ich in jeder Pause Milch ab. Eine Kollegin pumpt auch. Wir pumpen zusammen in jeder Pause unsere Milch ab. Wir erzählen etwas und das ist schön. Schön, zu erzählen, außerhalb der Wohnung. Außerhalb des Pflegealltages.

Entspannen kann ich mich trotzdem nicht. Immer diese innere Anspannung, wenn ich nicht bei den Kindern bin. Uli holt mich mit Klara zum Ende des Seminars ab. Die Schwester ist mit Josef allein zu Hause. Als wir zu Hause sind, schläft Josef. Er liegt eingekuschelt in seinem Bett. Auf der linken Seite liegt er und schläft. Ich warte, bis meine Hände warm sind, dann lege ich sie zaghaft auf seinen Kopf. Ich bin wieder da, mein Bär. Endlich wieder da.

Wir verabschieden die Schwester. Zusammen essen wir Nudeln zum Abendbrot. Nudeln mit Pesto. Josef schläft. Von Klara lasse ich mir erzählen, wie der Tag war. Ich habe mit Papa gespielt. Schön.

Uli und Klara schauen Kinderfernsehen. Ich inhaliere Josef. Dabei wird er wach. Hallo, mein Josef. Ich sauge ihn ab und ziehe ihn vorsichtig um. Seinen Schlafanzug ziehe ich ihm an.

Zusammen bringen wir Klara ins Bett, lesen ihr vor und machen ihr das Hörspiel an. Ich gebe Josef seine Abendmilch. Dann halte ich ihn im Arm und küsse ihn. Immer wieder. Er wird unruhig. Streckt sich. Mein Josef, sind es Bauchschmerzen? Ich gebe ihm ein Kümmelzäpfchen und reibe seinen Bauch mit Kümmelöl ein. Uli macht ihm sein Körnerkissen warm.

Um 21.00 Uhr klingelt es. Die Nachtschwester. Josef atmet schwer. Hat die Augen weit aufgerissen. Ich gehe mit ihm auf den Balkon. Frische Luft. Dann beruhigt er sich. Seine Augen fallen zu. Ich übergebe der Schwester Josef für diese Nacht. Um 3.00 Uhr pumpe ich Milch ab. Ich bringe die Milch in die Küche und stelle sie in den Kühlschrank. Josef schläft tief und fest. Ich höre kaum Atemgeräusche. Alles gut? Ja.

Zuletzt aktualisiert am: 23.01.2020


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