, Zu Hause 2

Der Wecker klingelt um 7.00 Uhr. Ich schalte ihn aus. Die Katze liegt auf Ulis Sachen. Die kleine niedliche Katze. Ich stehe auf. Gehe ins Bad. Wasche mich. Kaltes Wasser in meinem Gesicht.

Heute kommt Klara. Endlich. Es ist schwer auszuhalten, wenn sie nicht da ist. Möchte uns doch alle zusammenhalten. Für die Zeit, die wir zusammen haben. Und doch weiß ich. Klara braucht ihren Kinderfreiraum. Braucht Ferien. Kann nicht mit uns hier sein. Die ganze Zeit. Warten. Auf was auch immer. Warten. Einatmen und Ausatmen.

Ich gehe in die Wohnküche. Setze Wasser auf. Für Tee. Kaffee. Gehe in Josefs Zimmer. Josef schläft. Herzfrequenz 110. Sauerstoffsättigung 97. Ich streichele seinen Kopf. Küsse ihn. Josef, mein Josef.

Frage die Schwester nach der Nacht. Josef schlief durch, sagt sie. Vitalwerte waren im Normbereich. Kein Fieber. Keine sichtbaren Krämpfe. Keine Atemaussetzer. Gut, sage ich. Gut.

Hoffnung schleicht sich an. Vielleicht. Vielleicht. Vielleicht. Ich fange an zu handeln. Innerlich. Um weitere Tage. Wochen. Monate. Mit wem handele ich? Mit wem? Die Schwester spült. Wechselt aus. Räumt. Zieht auf. Verabschiedet sich. Schlaf gut. Danke. Uli kommt zu uns.

Es klingelt. Die Schwester. Josef wird wach. Ich schalte den Monitor aus. Küsse Josef. Halte ihn. Guten Morgen, mein Bär. Guten Morgen. Heute kommt deine Schwester. Ich ziehe Josef vorsichtig um. PEG reizlos. Josef bekommt seinen Morgenbrei. Tee. Medikamente. Er ist erschöpft. Seine Körperspannung ist gering. Aber. Ein wenig Körperspannung ist da. Ein wenig ist da. Das reicht schon, mein Josef. Das reicht schon.

Dann fahren wir los. Ins SPZ. Wir kommen gut durch. Sind da. Kommen gleich dran. Weil wir nicht so viel Zeit haben mit Josef. Gehen ins Behandlungszimmer. Die Schwester bitten wir, draußen zu warten. Wenn was ist, sagen wir Bescheid.

Ich weiß, es passt ihr nicht. Kränkt sie. Doch nur um ihre Kränkung zu vermeiden, geben wir das bedeutsame Gespräch mit der Neuropädiaterin und dem Physiotherapeuten nicht her. Ihre Kränkung halten wir aus. Josef. Wir sprechen über ihn. Mit ihm. Er wird abgehört. Untersucht. Mit dem SAPV-Team sprechen sie regelmäßig. Über Josef. Das fühlt sich gut an. Transparenz.

Ich habe nicht das Gefühl, bewertet zu werden. Ich habe das Gefühl, getragen zu werden. Es geht um Josef. Um uns. Darum, wie wer helfen kann. Damit es Josef leichter geht. Er nicht leiden muss. Darum, wie wir gestärkt werden können. Damit wir nicht zusammenbrechen. An der Schwere. Einatmen und Ausatmen.

Wir gehen zum EEG. Es ist dieselbe Frau. Wie immer. Vertraut und befremdlich. Als stünde Unausgesprochenes zwischen uns. Als ist dort eine Glaswand zwischen uns. Josef ist ganz ruhig beim EEG. Krampft nicht. Dieses Mal.

Wir fahren nach Hause. Die Schwester sagt, bei den anderen Eltern darf sie mit zum Arztgespräch. Ich weiß, sage ich. Ich weiß. Wir sind nicht die anderen Eltern. Ich bin müde davon. Mich zu erklären. Denke, kaum geht es Josef einen Hauch besser, verfallen wir in alte Rollen. Muster. Verabschiedet sich die Demut vor Josef. Einatmen und Ausatmen.

Zu Hause. Josef wird inhaliert. Abgesaugt. Brei. Medikamente. Tee. Es klingelt. Der Rehatechniker. Der Buggy. Der Rehabuggy. Wir freuen uns. Ich lege Josef in den Buggy. Der Techniker passt ihn an Josef an. Ach Josef, mein Josef. Hoffe. Auf Wochen. Monate.

Es klingelt. Die Großeltern mit Klara. Die Schwester verabschiedet sich. Ein schönes Wochenende wünsche ich. Danke, sagt sie. Klara, meine Klara. Schön. Du bist da. Wir umarmen uns. Ich halte meine Klara. Wir trinken Tee. Kaffee. Kekse. Gehen spazieren. Mit Josef in seinem wunderschönen Rehabuggy. Die Großeltern kommen mit. Eine Runde durch die Gärten. Dann ab nach Hause.

Nicht zu begreifen, die schwere Krise vor wenigen Tagen. Der Tod so nah. Und jetzt spazieren wir mit Josef in seinem neuen Rehabuggy durch die Gärten. Wie kann ich das begreifen? Wie? Die Großeltern verabschieden sich. Haben eine lange Heimreise.

Wir essen Abendbrot. Josef bekommt seinen Abendbrei. Tee. Medikamente. Inhalation. Absaugen. Ich küsse ihn. Lege ihn mir auf meine Brust. Wir atmen zusammen. Einatmen und Ausatmen. Klara bei uns. Mit der Katze. Wir schauen Kinderfernsehen. Uli bringt Klara ins Bett. Liest ihr vor. Macht das Hörspiel an.

Um 21.30 Uhr klingelt es. Die Schwester. Ich lege Josef in sein Bett. Herzfrequenz 120. Sauerstoffsättigung 90. Josef wird inhaliert. Abgesaugt. Dann wird die Sauerstoffsättigung besser. Ich küsse Josef. Dann gehen wir ins Bett. Schlafen.

Zuletzt aktualisiert am: 29.06.2021


Jetzt Spenden! Das Spendenformular wird von betterplace.org bereit gestellt.

❤️ Mehr darüber, wie du uns unterstützen kannst.