Kinder. Tag. Kinder. Eins. Zwei. Drei. Kinder. Josef ist nicht mehr hier. Zwei ist nicht hier.

Es ist hell. Die Sonne schimmert durch die Gardinen. Ich fühle mich schwer. Müde. Benommen. Jette dreht sich zu mir. Setzt sich. Wirft sich auf mich. Guten Morgen, Mama. Aufstehen. Heute ist ein schöner Tag. Ich küsse sie. Drücke sie an mich. Ganz fest. Wollen wir noch kuscheln, frage ich.

Nein, sagt sie. Nein. Aufstehen. Ich bin aber so müde, Jetti. Mama, sagt sie. Komm. Aufstehen. Sie wurschtelt sich aus unserem Bett. Zieht die Gardine zur Seite. Dann meine Bettdecke. Okay, sage ich. Okay. Okay. Wir gehen in die Wohnküche.

Ich setzte Wasser auf. Für Tee. Kaffee. Kakao für Jette. Ich nehme Jette auf den Arm. Küsse sie. Öffne die Balkontür. Es duftet nach Erde. Die Sonne blinzelt durch die Baumkrone. Heute ist Kindertag, denke ich. Kindertag. Kinder. Tag. Kinder.

Ich drücke Jette an mich. Ganz fest. Küsse sie. Rieche an ihren Haaren. An ihren Lockenkopf. Wie bei Josef. Diese Locken. Einatmen und Ausatmen. Wir halten Ausschau nach der Katze. Und nach dem Fuchs. Uli hat ihn gesehen. Vor ein paar Tagen. Den Schulhoffuchs.

Niemand zu sehen. Alle schlafen noch. Es ist noch kühl. Und wir im Schlafanzug. Wir gehen wieder rein. Mir ist schwindlig. Benommen. Müde. Ich bin noch nicht da. Möchte ich das denn? Da sein? Jetzt?

Kaffee. Dampfender Kaffee in meiner Tasse. Jette trinkt Kakao. Uli kommt. Setzt sich an den Tisch. Wie jeden Morgen. Jeden Morgen. Radio. Radio an. Deutschlandradio. Wie jeden Morgen. Kindertag. Kinder. Tag.

Schmerz. Der Schmerz. Kommt von innen. Aus einer Ecke. Einem Versteck. Einem gut gehüteten Versteck. Er breitet sich aus. Wie eine Welle nimmt er mich ein. Tränen. Sie laufen. Leise Tränen.

Ich stehe auf. Gehe auf den Balkon. Einatmen und Ausatmen. In den Schmerz atmen. Dann wird er erträglicher. Vielleicht. Kinder. Tag. Kinder. Eins. Zwei. Drei. Kinder. Josef ist nicht mehr hier. Zwei ist nicht hier. Nicht mehr hier. Ist tot. Das schmerz. Jetzt. Einatmen und Ausatmen.

Die Sonne schiebt sich langsam über die Baumkronen. Scheint mir frech ins Gesicht. Was die sich traut? Einatmen und Ausatmen. Ich gehe wieder rein. In die Wohnküche. Schließe die Balkontür. Jette spielt mit ihren Tieren. Weckt die Kuh. Den Hund. Das Schwein.

Uli ist still. Ganz still. Schmerzende Stille. Klara schläft noch. Oder nicht? Ihre Freundin ist da. Hat bei uns geschlafen. Ich freue mich. Klara und ihre Freundin. Endlich haben sie sich wieder. Haben sich seit Monaten nicht gesehen. Sich nicht erlebt. Nicht zusammen gelacht. Nun sind sie zusammen. Wie gut. Wie gut. Wie gut.

Ich gehe ins Bad. Wasche mich. Die Tränen. Die Kinder sollen sie nicht sehen. Nicht meine Verletzlichkeit. Jetzt. Ich versuche zu bannen. Den Schmerz zu bannen. Einatmen und Ausatmen. Den Schmerz erträglicher atmen. Dann denke ich. Dachte und denke, er würde nicht mehr kommen. Der Schmerz. So stark.

Dachte und denke, schon durchspürt zu haben. Fertiggespürt. Milder gespürt. Das es nicht mehr so weh tut. Dachte und denke ich. Und dann denke ich, das Gefühl kann nicht gedacht werden. Ich kann nicht denken, wann ich mich wie fühle. Annehmen. Immer wieder annehmen. Aushalten. Einatmen und Ausatmen.

Und dann wird er weniger. Der Schmerz. Wie eine Welle zieht er sich zurück. So wie sich eine Welle vom Strand zurückzieht. Sie wird wiederkommen. Die Welle. Das weiß ich. Vielleicht sanfter. Einatmen und Ausatmen. Milder sein. Sanfter. Mit mir selbst, denke ich. Mit uns.

Das kalte Wasser in meinem Gesicht. Es tut mir gut. Das kalte Wasser. Ich schaue in den Spiegel. Mein Gesicht ist etwas gebräunt von der Sonne. Der Schmerz hat sich nicht in mein Gesicht geschrieben. Das ist gut. Ich gehe in die Wohnküche. Fühle mich leichter. Etwas leichter.

Klara und ihre Freundin kommen. Haben Hunger. Cornflakes gibt es. Dann gehen sie wieder in Klaras Zimmer. Kuscheln sich in die Betten. Erzählen leise. So viel zu erzählen. Ich decke den Tisch. Für das zweite Frühstück. Uli geht zum Bäcker. Brötchen holen. Frischer Kaffee. Tee.

Ich zünde eine Kerze an. Für Josef. Kinder. Tag. Mein Bär, heute ist Kindertag. Und du bist hier, mein Bär. Du bist hier, auch wenn ich deinen Atem nicht mehr höre. Auch wenn ich dich nicht mehr spüren kann. Ich spüre dich anders. Mein Josef. Spüre dich anders.

Wir frühstücken. Klara und ihre Freundin packen ihre Sachen. Sie fahren nachher ins Freibad. Freuen sich. Ich mich auch. Freue mich mit ihnen. Das sie sich haben. Und nun wiederhaben. Nach der langen Zeit. Kinder. Tag.

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