Wild und sanft. Mein Josef. Ein Schmetterling setzt sich auf seine Hand.

Unruhig. Unruhiger Schlaf. Leichter Schlaf. Müder Schlaf. Es ist 6.50 Uhr. Jette. Jette ist wach. Wirft sich auf mich. Heute ist ein schöner Tag. Aufstehen, Mama. Aufstehen. Gleich, meine Jette. Gleich.

Jetzt, sagt Jette. Jetzt. Ich stehe auf. Schlaftrunken. Müde. Noch nicht angekommen in mir. Schon gar nicht im Tag. In die Wohnküche. Wasser. Für Tee. Kaffee. Jette auf dem Arm. Auf den Balkon. Keine Kinder. Auf dem Schulhof. Ferien.

Die Luft. Erdig. Kühl und gleichzeitig warm. Sommerluft. Vergehende Sommerluft. Juliluft. Vögel zwitschern. Eindringlich. Der Himmel ist bedeckt. Wir gehen in die Wohnküche. Kaffee. Tee. Apfelsaftschorle für Jette. Zum Frühstück Cornflakes. Dazu Rosinen.

Uli ist da. Wach. Wacher als ich. Oder täusche ich mich? Klara schläft. Ferien. Jette baut die Murmelbahn auf. Murmeln durch die Bahn klackern lassen. Klack. Klack. Klack. Anziehen. Das Kleid mit den Streifen. Rote Leggings. Die Mickymausschuhe dazu.

Heute gibt es ein Fest. Jette wechselt in die größere Gruppe. Von der Raupe zum Schmetterling. Schmetterling, denke ich. Schmetterling. Schillernd. Zerbrechlich. Fliegen. Wegfliegen. Verbinde damit Josef. Denke an Josef.

Fühle Josef. Josef. Sehe ihn vor mir. Sehe ihn vor mir im Inneren. Er gehört dazu. Wächst. Kommt in die Schule in diesem Jahr. Sehe ihn. Mit seinen Locken. Goldlocken. Sein Gesicht. So schön. Sein Knie ist etwas aufgeschlagen. Ein wenig Schorf.

Er ist wild. Wild und sanft. Mein Josef. Ein Schmetterling setzt sich auf seine Hand. Mama, sagt er, ein Schmetterling. Schau. Und ich schaue hin. Ein Schmetterling. Er springt auf, mein Josef. Will mir so viel zeigen. Dann ist er weg. Verschwunden. In mir. Versteckt. Mein Josef.

Wie wohl sie tun. Diese Bilder. Und wie sehr sie schmerzen. Diese Bilder. Und doch. Sind sie da. Die Was-wäre-wenn-Bilder. Bilder. Keine Fragen. Keine Gedanken. Bilder. Tröstende Bilder. Schmerzhafte Bilder. Durchschmerzte Bilder. Sehnsüchtige Bilder.

Ich stehe auf. Vom Frühstückstisch. Wasche mich. Kaltes Wasser in meinem Gesicht. Kaltes Wasser. Tränen. Schmerztränen.

Heute feiert deine Schwester, mein Josef. Und du. Du hättest auch gefeiert. Deinen Abschied von der Kita. Die Bilder in mir. Kann sie nicht denken vorher. Weiß nichts von ihnen. Sie sind da. Wollen durchfühlt werden. Auch die Trauer darum. Die Schmerzhaftigkeit.

Laufrad, meine Jette oder Dreirad? Dreirad. Wir gehen los. Los zur Kita. Die Sonne scheint. Scheint uns frech ins Gesicht. Bin jetzt da. Im Hier.

Jette läuft in die Kita. Ihr Einhorn unter dem Arm. Wir sind ein wenig zu spät. Die Kinder sitzen im Morgenkreis. Ich küsse sie. Meine Jette. Bis nachher. Ich hole dich ab. Eingetaucht ist sie. Meine Jette. In die Kitawelt.

Nach Hause. Schnell. Fließen lassen. Den Schmerz. Wohin? Wohin nur? Wird nie weg sein. Der Schmerz. Das habe ich verstanden. Mein Kopf hat es verstanden. Da wird immer Schmerz sein. Holt mich ein.

Wo holt er mich ein?
Bin ich denn weggelaufen?
Vorgelaufen?
Sagt er: halt Stopp, nimm mich mit, bleib hier?

Wohin bewege ich mich? Wir uns? Wohin? Oder kommt er über mich? Der Schmerz? Über mich? Als würde er sich auf mich legen?

Nein. In mir ist er. Sucht sich Bahnen. In mir. Zeigt sich. Nicht vorwurfsvoll. Kein Vorwurf. Wirft sich nicht vor mir. Er ist in mir. Tränen. Manchmal Tränen. Sanft begegnen. Dem überwältigenden Schmerz. Sanft. Geht das denn? Sanfter Schmerz? Einatmen und Ausatmen.

Josef, mein Josef. In die Schule würdest du kommen. In die Schule. Vor 6 Jahren kam deine Schwester in die Schule. Und du. Du warst in meinem Bauch. Es war ein heißer Tag. Der Einschulungstag deiner Schwester. Einatmen und Ausatmen. Bilder sehen. Innerlich. Hingeben. Mich hingeben. Kurz. Oder. So lange wie es eben braucht.
Einatmen und Ausatmen.

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