, Kinderhospiz

Um 6.15 Uhr bin ich wach. Ich spüre mein Herz schlagen. Nach Hause, denke ich. Nach Hause. Ein neuer Versuch. Langsam kommt die Anspannung. Kommt zurück. An was müssen wir noch denken? Müssen. Müssen. Müssen. Einatmen und Ausatmen.

Vor lauter Müssen und Anspannung dürfen wir nicht vergessen zu leben. Josef hat bald Geburtstag. Advent. Weihnachten. Alles will gefeiert werden. Vom Müssen zum Wollen. Wie wollen wir unser Leben leben? Mit Josef. Mit Klara? Wie wollen wir es? Einatmen und Ausatmen.

Ich stehe auf. Uli ist schon wach. Kann nicht mehr schlafen, sagt er. Ich gehe ins Bad. Wasche mich. Danach Uli. Ich warte auf ihn. Klara wird wach. Fernsehen? Ja.

Wir gehen in den Gemeinschaftsraum. Holen uns einen Kaffee. Ehrenamtliche bereiten das Frühstück vor. Obst und Gemüse wird geschnitten. Wir gehen den Gang entlang. Josef ist wach. Liegt im Arm der Schwester. Wird inhaliert. Sie saugt ihn ab. Als sie fertig ist, nehme ich Josef. Küsse ihn. Halte ihn in meinem Arm.

Ich frage nach der Nacht. Gegen 4.00 Uhr war Josef wach. Er hatte viel Sekret. Hat sich nach dem Inhalieren und Absaugen wieder beruhigt. Okay, sage ich. Uli lässt das Wasser in die Pflegewanne. Ich ziehe Josef vorsichtig aus. Uli badet seinen Josef. Er ist relativ entspannt. Unser Josef. Uli nimmt ihn aus der Wanne.

Ich trockne ihn ab. Küsse Josef. Auf seinen Bauch. Seine Brust. Seine Hände und Füße. Seine linke Körperhälfte ist etwas fester heute. Ich bin ganz vorsichtig mit ihm. Wir gehen in den Gemeinschaftsraum.

Klara ist schon da. Auch die Geschwisterkinder. Heute ist ihr letzter Abend. Hier. Zusammen. Sie haben sich überlegt, zusammen im Snoezelraum zu übernachten. Dürfen sie das? Wir werden nachher die Pflegedienstleitung fragen. Ob das geht.

Die Gäste werden gebracht. Pfleger und Schwestern kommen. Eltern. Es gibt Obstsalat. Pfannkuchen. Ich gebe Josef seinen Morgenbrei. Medikamente und Tee. Nach dem Frühstück gehen wir spazieren. Uli packt die Absauge in den Kinderwagenkorb. Ich ziehe Josef einen Anzug an. Klara möchte bei den Geschwisterkindern bleiben.

Wir laufen. Laufen eine große Runde. Durch den Park. Wie wollen wir leben, Uli? Mit Josef? Mit Klara? Wie wollen wir den Geburtstag feiern? Von Josef. Er muss doch gefeiert werden. Sein Geburtstag. So ein Geschenk. Er ist da. Unser Josef. Die Schwere darf nicht überwiegen, Uli. Nicht nur das Schwere. Um seine Geburt.

Das Leichte und Schöne. Wollen wir feiern. Wir schmieden. Schmieden. Pläne. Wollen im Kinderhospiz seinen Geburtstag feiern. Ganz groß. Mit vielen Gästen. Eine große Feier soll es werden. Weil wir doch nicht wissen, wie lange Josef. Bei uns sein wird.

Im Kinderhospiz. Uli inhaliert Josef. Saugt ihn ab. Ich gebe Josef seinen Mittagsbrei. Klara ist im Schwimmbad. Die Mama der Geschwisterkinder passt auf. Wir gehen in den Gemeinschaftsraum. Ich halte Josef. Gäste kommen dazu. Pfleger und Schwestern.

Wir fragen, ist es möglich, den Geburtstag von Josef hier zu feiern? Im Wintergarten? Ist es möglich, dass die Kinder heute im Snoezelraum schlafen dürfen?

Warum nicht? Die Antwort. Die Pflegedienstleitung möchte noch gefragt werden. Wird angerufen. Sogleich. Wir dürfen fragen. Kein Problem, sagt sie. Kurz vor Josefs Geburtstag sollen wir Bescheid geben.

Snoezelraumübernachtung. Mh, sagt sie. Wenn der Nachtdienst nichts dagegen hat. Warum nicht? Sie müssen dann leise sein. Die Kinder. Ja, sage ich. Ja.

So viel möglich hier, denke ich. Bin dankbar. Dankbar, dass die Kinder gesehen werden. Ernst genommen werden. Gespürt wird. Dass es jetzt wichtig ist. Diese Übernachtung im Snoezelraum. Und die große Geburtstagsfeier für Josef. Hier im Kinderhospiz.

Ich halte meinen Josef. Er schläft ein. Wir plaudern mit den Pflegern und Schwestern. Schauen in den Garten. Es ist etwas neblig. Heute. November. Pünktlich zum November kommt der Nebel, denke ich. Hüllt alles ein. Der Nebel. Josef. Mein Novemberkind. Einatmen und Ausatmen.

Zum Abendessen werden die Gäste gebracht. Pfleger. Schwestern. Eltern. Die Kinder kommen. Freuen sich. Über ihre Übernachtung im Snoezelraum. Vorher wollen sie einen Film schauen. Chips und Süßes essen. Brause trinken. Natürlich, sagen wir. Natürlich. Ich gebe Josef seinen Abendbrei. Uli inhaliert Josef. Saugt ihn ab. Ich lege Josef auf meine Brust. Wir atmen zusammen.

Ich bin traurig. Der Abschied. Von dem geschützten Ort. Wieder nach Hause. Wieder nach Hause. Einatmen und Ausatmen. Wir können nicht ewig hier bleiben. In dieser Welt. Müssen auch in die Welt da draußen. Das Leben da draußen leben. Einatmen und Ausatmen. Josef schläft. Ich küsse ihn. Lege Josef in sein Bett. Ein Unterhemd von mir lege ich über seinen Kopf. Schalte den Monitor an. Herzfrequenz 112. Sauerstoffsättigung 97.

Wir gehen zu den Kindern. Tragen das Bettzeug in den Snoezelraum. Bleiben eine kleine Weile. Bis wir weggeschickt werden. Dann gehen wir ins Bett. Schauen fern. Sind still. Jeder ist bei sich. Irgendwann. Schlaf. Unruhiger Schlaf.

Zuletzt aktualisiert am: 29.10.2020


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