, Kinderhospiz

Um 6.00 Uhr bin ich wach. Bleibe liegen. Es ist ganz ruhig in unserer Wohnung. Keine Tür klappert. Es ist fast unheimlich ruhig. Mein Herz schlägt schnell. Stolpert.

Ich setze mich. Mir ist schwindelig. Nach einer Weile geht es mir besser. Ich stehe auf. Die Türen sind alle auf. Merkwürdig. Ein merkwürdiges Gefühl. Fast unheimlich.

Ich gehe ins Bad. Wasche mich. Gehe im Schlafanzug in die Wohnküche. Die Tür zu Josefs Zimmer ist offen.

Klara liegt in seinem Bett. Sie hat ihren großen Kuscheltierhund mit ins Bett gelegt. Es sieht sehr gemütlich aus. Ich schließe leise die Tür.

Setze Wasser auf. Für Tee. Kaffee. Gehe auf den Balkon. Im Schlafanzug. Feiertag heute. Auf dem Schulhof ist es leer. Den Fuchs habe ich lange nicht gesehen, denke ich.

Mit dem Kaffee und einer Decke setze ich mich auf die Hollywoodschaukel. Schaukle. Hin und her. Sie quietscht. Es wird ein schöner Tag. Die Sonne zeigt sich.

Mein Herz schlägt. Schnell und langsam. Stolpert. Ich stolpere, denke ich. Stolpern. Ich sitze lange. Einfach so da. Die Vögel zwitschern. Ich habe das Gefühl, nicht da zu sein. Nicht von dieser Welt.

Josef, mein Josef. Wie wohl seine Nacht war? Einen Anruf gab es nicht. Ein gutes Zeichen. Uli kommt zu mir. Setzt sich zu mir. Trinkt einen Kaffee. Wir sind still.

Manchmal habe ich das Gefühl, nicht mehr hier zu sein. Klara ist es, die mich erdet. Zeigt, hier ist das Leben. Josef auch. Josef holt mich zurück. In das Leben.

Das ist mein Leben. So ist mein Leben. Weit weg von dem, was ich mir vorgestellt habe. Unendlich weit weg. Davon. Einatmen und Ausatmen. Dennoch. Bin ich dankbar. Mehr als das.

Klara wird wach. Ich höre, wie sie das Pflegebett runterfährt. Sie kommt zu uns. Kuschelt sich zwischen uns. Sagt, das war sehr gemütlich in Josefs Bett. Ich küsse sie. Auf ihren Kopf.

Uli deckt den Frühstückstisch. Ich rufe im Kinderhospiz an. Frage nach Josef. Josef hatte eine entspannte Nacht. Ab und zu hatte er Sauerstoffsättigungsabfälle. Durch Absaugen und Lagern hat es sich gegeben. Kein Fieber. Keine Krämpfe. Gute Diurese. Gut, sage ich. Gut. Wir kommen um 9.00 Uhr.

Nach dem Frühstück gehen wir ins Kinderhospiz. Josef, mein Josef. Er sitzt in seinem Therapiestuhl. Frisch gebadet. Ich küsse ihn. Nehme ihn aus seinem Stuhl. Er sieht heute schick aus. Ganz in Streifen.

Wir gehen in den Gemeinschaftsraum. Gäste werden gebracht. Pfleger und Schwestern kommen. Eltern. Ich gebe Josef seinen Morgenbrei. Tee. Medikamente. Halte ihn in meinem Arm. Küsse ihn. Immer wieder. Bin glücklich. Ganz durchströmt.

Es ist ein ruhiger Morgen. Auch im Kinderhospiz. Die Geschwisterkinder sind da. Klara freut sich. Sie verabreden sich. Haben Pläne. Von denen sie uns nie erzählen. Geheime Kinderpläne. Wir lassen Klara.

Uli, Josef und ich gehen nach dem Frühstück spazieren. Eine große Runde. Durch die Parkanlagen. Tee. Brei. Medikamente. Haben wir mit. Wir laufen.

Ich schaue immer auf Josef. Beobachte, ob er sich verändert. Ob er blau wird. Keine Luft bekommt. Josef schlummert ein. Das Sekret läuft aus seiner Nase und seinem Mund.

Ich wechsele immer wieder die Tücher unter seinem Gesicht. Vermeide es, das Sekret direkt von der Nase wegzuwischen. Damit sie sich nicht entzündet. Seine schöne, zarte Nase.

Im Kinderhospiz. Josef wird von Uli inhaliert. Abgesaugt. Dann setzen wir uns in den Garten. Trinken Kaffee. Kuchen gibt es auch. Jemand hat gebacken. Das ist schön.

Klara spielt im Garten mit den Geschwisterkindern. Sie sind in ihrer eigenen Welt. Wie wir, denke ich. Wir sind ja auch in unserer eigenen Welt. Brauchen es. Manchmal dieses Gefühl. Ein geschlossener Kosmos. Ein sicherer Kosmos. In dem wir sein können. Keine Rolle spielen müssen.

Um 17.30 Uhr gibt es Abendbrot. Die liebe Hauswirtschaftsfrau legt Wert darauf. 17.30 Uhr ist Abendbrotzeit.

Die Gäste werden gebracht. Pfleger. Schwestern. Eltern. Ich gebe Josef langsam seinen Abendbrei. Küsse ihn. Es ist ruhig heute. Feiertagruhig. Keine Krisen. Zumindest keine Krisen, die wir mitbekommen.

Nach dem Essen ziehe ich Josef vorsichtig um. Uli inhaliert ihn. Saugt ab. Klara ist im Jugendzimmer. Die Kinder schauen fern. Ich lege Josef in sein Bett. Ein Unterhemd von mir. Dazu. Uli sagt der Schwester Bescheid. Ich küsse Josef. Schlaf gut, mein Bär. Schlaf gut.

Zusammen mit Klara gehen wir in unsere Wohnung. Schauen fern. Bringen Klara in Josefs Bett. Lesen ihr vor. Machen ihr das Hörspiel an. Lassen alle Türen offen stehen. Wir gehen ins Bett. Irgendwann schlafen wir. Irgendwann.

Zuletzt aktualisiert am: 30.04.2021


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