, Kinderhospiz
Ich bin wach. Schalte den Wecker aus. Es ist 6.00 Uhr. Die Katze liegt auf Ulis Sachen. In meinem Kopf. Soll ich bleiben? Fahren? Was tun? Was sagt mein Bauch? Hierbleiben. Hierbleiben. Mein Kopf. Fahr mit. Für Uli. Seine Eltern. Für Klara.
Mir laufen Tränen. Mein Herz stolpert. Ich habe das Gefühl, es springt aus meiner Brust. Ich setze mich. Mir ist schwindlig. Die Tür klappert. Ich warte. Stehe auf. Gehe ins Bad. Kaltes Wasser in meinem Gesicht. Kaltes Wasser.
Ich gehe in die Wohnküche. Setze Wasser auf. Für Tee. Kaffee. Decke den Frühstückstisch. Klara kommt zu mir. Kuschelt sich an mich. Sagt, sie freut sich auf die Feier. Ich küsse sie. Auf ihren Kopf.
Uli setzt sich zu Klara. Ich gehe in Josefs Zimmer. Er schläft. Herzfrequenz 92. Sauerstoffsättigung 96. Die Schwester steht an seinem Bett. Gibt ihm Tee. Medikamente. Über den Bauchschlauch. Ich streichele seine schönen Locken. Küsse ihn. Wie schön er doch ist, mein Josef. Wie schön du doch bist, mein Josef.
Ich frage nach der Nacht. Sie sagt, seine Herzfrequenzen schwankten. Oft waren sie unter 60. Er schlief durch. Das Sekret ist sehr zäh und fest. Fließt aber. Kein Fieber. Gut, sage ich. Gut. Die Schwester räumt. Spült. Wechselt aus. Zieht auf. Verabschiedet sich. Schlaf gut. Danke.
Klara geht los. Los in die Schule. Ich winke ihr. Bis ich sie nicht mehr sehe. Uli kommt zu uns. Josef schläft. Wir setzen uns auf das Sofa. Schauen auf den Monitor. Die Werte sind stabil. Ich entscheide, mitzukommen. Nach Leipzig. Wir sind ja schnell wieder zurück. Wenn. Wenn. Wenn.
Uli packt Josefs Sachen. Für das Kinderhospiz. Absauge. Katheter. Sachen. Der Therapiestuhl geht auch mit. Josef wird langsam wach. Ich schalte den Monitor aus. Nehme ihn vorsichtig aus seinem Bett. Küsse ihn. Inhaliere ihn. Sauge ab. Das Sekret läuft. Ein gutes Zeichen.
Hoffnung. Da ist sie wieder. Ein wenig Hoffnung nimmt Platz in mir. Ich ziehe Josef um. Ganz vorsichtig. Dann gehen wir ins Kinderhospiz. Josef bekommt das Zimmer im zweiten Stock. Hinten rechts. Wir sprechen mit der Bezugsschwester. Josef ist hier zu Hause. Auch hier. Wir müssen nicht erklären. Nicht so viel.
Wir gehen in den Gemeinschaftsraum. Zum Frühstück. Gäste werden gebracht. Pfleger. Schwestern. Eltern. Josef in meinem Arm. Ich gebe ihm seinen Morgenbrei. Tee. Medikamente. Ich bin froh. Alle Gäste sind da. Scheinen stabil zu sein. Ich begrüße sie. Es tut mir gut. Kenne ich sie doch. In ihren Krisen und stabilen Zeiten.
Josef schlummert in meinem Arm. Uli geht nach Hause. Packt unsere Sachen ins Auto. Holt Klara vom Hort ab. Den Wohnungsschlüssel bekommt der Nachbar. Er füttert unsere Katze.
Josef in meinem Arm. Das Sekret läuft. Ein gutes Zeichen, denke ich. Ein gutes Zeichen. Ich spreche mit Josef. Sage, wir fahren zu deinen Großeltern. Zu ihrer Geburtstagsfeier. Am Sonntag sind wir wieder da. Ich setze ihn in den Therapiestuhl.
Der Einzelfallhelfer kommt. Ich freue mich. Josef, mein Josef. Wir verabschieden uns. Ich küsse ihn. Immer wieder. Dann fahren wir los. Wir sind verabredet. In Leipzig. Mit dem Kinderhospiz. Wollen es uns anschauen. Für die Ferien im Oktober. Haben eine Woche dort reserviert. Wir stehen im Stau. Kommen etwas zu spät.
Im Kinderhospiz. Wir werden von einer Frau empfangen. Das Kinderhospiz liegt wunderschön. In einem Park. Es ist ein Neubau. Die Gästezimmer sind ebenerdig. Jedes hat einen direkten Zugang zum Garten. Es gibt eine Elternküche. Einen Gemeinschaftsraum. Einen Snoezelraum. Einen Raum der Stille.
Über den Gästezimmern befinden sich Elternräume. Es gibt ein Spielzimmer. Für die Geschwisterkinder. Es ist hell. Schön. Gemütlich. Die Frau ist nett. Wir sprechen über Josef. Darüber, dass wir uns freuen. Auf den Oktober. Hier.
Dann treffen wir uns mit Ulis Eltern. Sie feiern am Rande des Parks. Die Unterkunft befindet sich auch dort. Das Kinderhospiz ist fußläufig. Josef, mein Josef. Er hätte fast mitkommen können. Zu der Zeit war leider kein Platz im Kinderhospiz für Josef frei.
Hätte Josef die Fahrt überhaupt geschafft, dröhnt es in mir. Schafft er die Fahrt im Oktober? Einatmen und Ausatmen. Wir begrüßen Ulis Verwandtschaft. Beziehen ein wunderschönes Zimmer in der Pension. Ziehen uns zurück. Für diesen Abend. Morgen wird die Feier sein.
Ich rufe im Kinderhospiz an. Frage nach Josef. Die Schwester sagt, alles gut. Josef kuschelt mit ihr. Gut, sage ich. Gut. Küsse für ihn. Küsse. Wir gehen ins Bett. Irgendwann. Schlaf. Irgendwann.
Zuletzt aktualisiert am: 24.12.2019