, Kinderhospiz

Um 7.00 Uhr klingelt der Wecker. Ich öffne das Fenster zum Garten. Lasse den Frühling rein. Einatmen und Ausatmen. Ich pumpe Milch ab. Gehe ins Bad. Wasche mich. Dann verlasse ich mein Zimmer. Gehe den Gang runter. Links in den Gemeinschaftsraum. Hole mir einen Kaffee.

In der Küche wird schon langsam das Frühstück vorbereitet. Ich sage laut, guten Morgen. Es ist eine andere Hauswirtschaftsfrau da. Sie lächelt mich an und grüßt sehr freundlich zurück.

Dann gehe ich zu Josef. Er ist wach. Guten Morgen, mein Josef. Ich schalte den Monitor aus und nehme Josef vorsichtig aus seinem Bett. Ganz langsam. Damit er Zeit hat, sich zu verorten. Ich küsse ihn. Die Schwester kommt. Schon fast vertraut sind wir uns. Die letzten Frühdienste war sie bei uns. Sie bereitet die Inhalation vor. Fragt, ob sie oder ich Josef inhalieren soll. Ich sage, ich mag ihn gerade nicht weggeben. Ich mache das. Gut, sagt sie.

Soll ich ein Bad für den kleinen Prinzen einlassen? Ja, sage ich, ja. Ein Prinzenbad. Nach dem Inhalieren saugt die Schwester Josef vorsichtig ab. Seine Atmung wird etwas ruhiger. Das Sekret fließt gut aus seiner Nase. Ich ziehe Josef vorsichtig aus. Ganz vorsichtig, damit die Nasensonde nicht rausrutscht. Dann trage ich Josef ins Pflegebad und lasse ihn in die Wanne gleiten.

Heute ist er entspannter als gestern. Wir genießen es beide. Ich trockne ihn ab. Öle ihn ein. Ziehe Josef vorsichtig an. Dann gehen wir zum Frühstück. Josef in meinem Arm. Die Schwester bringt mir die Milch und seine Medikamente. Ich muss nichts tun. Nur da sein. Josef im Arm halten und ihn langsam sondieren. Nebenbei frühstücke ich.

Die Gäste werden nach und nach in den Gemeinschaftsraum gebracht. Einige sitzen in ihren Rollstühlen mit am Tisch. Drei Gäste schauen aus dem Fenster. Sie bekommen Frühstück durch ihre Schläuche. Wie Josef. Hier gehören wir hin, mein lieber Josef. Zu den Kindern mit den Schläuchen in den Bäuchen und Nasen.

Eltern sind auch da. Nur wenige Eltern. Eine Mutter ist arbeiten. Von hier aus arbeiten gegangen. Wie soll es denn sonst gehen? Geld muss doch verdient werden. Die Miete bezahlt werden. Ich bin froh, Elterngeld zu bekommen. An später wage ich nicht zu denken.

Die Therapeuten kommen und verabreden sich. Die Physiotherapeutin möchte gleich nach dem Frühstück. Ich sage, das geht nicht. Es kommt eine Schwester. Stellt sich vor. Gut. Dann um 13.00 Uhr. Gut, sage ich. Ich darf es nicht vergessen. Das mit dem Merken ist manchmal schwer, sage ich. Sie lächelt.

Nach dem Frühstück fahre ich mit Josef ins Foyer. Die Schwester suchen. Sie wartet schon. War schon früher da. Sie war so aufgeregt. Ich nehme sie mit. Biete ihr einen Kaffee an. Oder doch Tee? Fühle mich fast als wäre es mein zweites Zuhause. So selbstverständlich biete ich Getränke an. Sie möchte nichts.

Wir gehen ins Josefs Zimmer. Ich frage sie nach ihren Erfahrungen. Nach ihrer Motivation. Ich erzähle von Josef. Von Josef. So wie er ist. Jetzt. Verfange mich nicht in der Vergangenheit. Dann fragt sie doch. Was ist denn passiert? Ich erzähle kurz.

Von sich erzählt sie. Ganz ehrlich. Sie war lange bei einem Jungen. In der häuslichen Pflege. Sie kennt sich gut aus. Mit der Atmung. Dann starb der Junge. Es war ein großer Schock. Sie war eine Weile krank. Nun möchte sie gern wieder arbeiten. Mit Kindern. Josef, ja, Josef sieht niedlich aus. Ich mag ihre offene Art. Denke, vielleicht kann es was werden. Wenn ich mich auf sie einlasse. Geduldig erkläre.

Sie sagt, sie wohnt nicht weit weg von uns. Der Arbeitsweg wäre für sie optimal. Sie würde gern bei Josef und bei uns arbeiten. Dann verabschieden wir uns. Sie sagt nochmal, sie würde es gern machen. Sie würde gern bei uns arbeiten. Gut, sage ich. Dann probieren wir es doch.

Als sie weg ist, rufe ich Uli an. Erzähle und sage, lass es uns probieren. Er sagt, gut.

Ich rufe die Pflegedienstleitung an und gebe mein Okay. Gut, sagt sie, dann haben wir schon einmal eine Pflegekraft. Nun brauchen wir nur noch vier bis fünf. Gut, sage ich. Einatmen und Ausatmen. Eine Pflegekraft haben wir schon. Sie ist freundlich. Mir nicht sympathisch. Aber offen. Ich glaube, mit ihr kann ich offen Dinge ansprechen.

Haben wir überhaupt eine Wahl, denke ich.

Dann kommt die Schwester. Die Mittagsmilch. Dann kommt die Physiotherapeutin. Nimmt Josef auf ihren Schoß. Ich frage, was sie macht. Sie erklärt, sie versucht Josef zu begrenzen und Positionen zu finden, in denen er gut entspannen kann. Sie sagt, sie spürt, Josef ist gerade ganz hier. Das ist schön. Er schläft ein.

Ich halte meinen kleinen, schönen Josef im Arm. Schichtwechsel. Der Pfleger ist heute für Josef da. Er bringt mir die Milch. Ich sondiere Josef. Dann merke ich, dass Milch aus seiner Nase läuft. Ich höre mit dem Sondieren auf. Sauge ihn ab. Josef atmet plötzlich schwer.

Ich rufe den Pfleger. Josef wird inhaliert. Beruhigt sich kurz. Ich bin dafür unruhig. Innerlich angespannt. Josef schlummert ein. Atmet aber immer noch angestrengt. Ich habe das Gefühl, er schnappt nach Luft. Der Pfleger hört sich Josef an. Misst die Werte. Alles gut.

Dann inhaliert er Josef. Beruhigt mich. Versucht es. Ist ganz behutsam mit Josef und mir. Ich sage, ich glaube, Josef stört etwas. Die Nasensonde? Er zieht den Nasensondenschlauch. Es wird nicht besser. Josef ist nun auch angespannt.

Wollen wir ihn baden, fragt er. Vielleicht geht es ihm dann besser. Ich ziehe Josef vorsichtig aus. Der Pfleger bereitet alles vor. Dann lässt er Josef ins Wasser gleiten.

Josef hört auf zu atmen. Er wird ganz blau. Atme, Josef, atme. Der Pfleger nimmt ihn schnell aus dem Wasser. Saugt ihn ab. Josef atmet wieder. Ganz angestrengt.

Er bereitet die Inhalette vor. Inhaliert ihn. Eingewickelt in einem großen Handtuch. Ich ziehe Josef vorsichtig an. Küsse ihn. Halte ihn. Der Pfleger ist ganz ruhig mit mir. Ruft die Ärztin an. Gibt Josef Cortison.

Josef, mein Josef, schläft ein. Ich halte ihn. Der Pfleger legt eine Decke um Josef und mich. Ganz umhüllt sind wir. Er holt etwas zu essen. Es gab heute zwei Geburtstagsfeiern im Haus. Es sind noch viele leckere Dinge zu Essen da. Ich habe keinen Appetit. Esse dann doch. Weil es wichtig ist. Das Essen. Ich erzähle viel. Der Pfleger ist da. Hört zu. Sagt, ich lasse dich jetzt hier nicht allein.

Josef schläft immer fester. Vorsichtig legt er Josef mit seinen Zauberhänden in sein Bett.

Es ist 22.30 Uhr. Die Werte sind in Ordnung. Die Atmung von Josef ist immer noch schwer. Gehen Sie ins Bett, sagt er. Die Kraft. Die Kraft brauchen Sie morgen. Mit der Kraft die Sie haben, müssen Sie sorgsam sein. Ich küsse Josef. Tauche in mein Elternzimmer ein.

Rufe Uli an. Erzähle. Sage, jetzt gerade ist alles gut. Weine. Ein wenig. Sage, wir (Josef und ich) schaffen es hier schon allein. Klara schläft schon. Ganz fest. Müde war sie heute, sagt Uli. Ich bin es jetzt auch.

Um 3.00 Uhr pumpe ich Milch ab. Gehe zur Josef. Die Schwester ist bei ihm. Sie sagt, er atmet angestrengt. Hat eine verlängerte Ausatmung. Sie gibt ihm nochmal Cortison und inhaliert extra. Josef schläft. Schläft mit knisternder Atmung. Ich bin hellwach.

Um 4.30 Uhr bekommt Josef Sauerstoff. Die Werte sind besser. Seine Atmung ist schlecht. In mir ist nichts. Noch nicht mal die Angst hat Platz. Ich bin da. Nur da. Bei Josef.

Zuletzt aktualisiert am: 30.03.2020


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