, Kinderhospiz

Mein Herz schlägt schnell. Ich bin wach. Es ist 7.30 Uhr. Einatmen und Ausatmen. Klara liegt neben mir. Ihren Kopf hat sie zum Fenster gedreht. Sie atmet gleichmäßig. Schläft noch. Schlaf, Klara, schlaf.

Ich stehe auf. Gehe ins Bad. Kaltes Wasser in mein Gesicht. Das Herzklopfen. Plötzlich. Ist das die Anspannung? Die Anspannung, immer in der Erwartung des Todes? Des Todes meines Josefs? Mir laufen Tränen. Haben Platz hier. Gerade. Das ist gut.

Irgendwann hören die Tränen auf zu laufen. Dann ist es gut. Wieder. Genug Tränen geweint. Für heute. Meine Freundinnen werden langsam wach. Kaffee wird gekocht. Der Tisch gedeckt. Klara und ich wollen Brötchen holen. Wir ziehen uns an. Gehen los. Die Sonne scheint. Es ist schön draußen.

Ich rufe Uli an. Frage, wie es ihm geht. Wie es Josef geht. Gut, sagt Uli. Gut. Josef hatte eine ruhige Nacht. Heute Morgen viel gelbliches Sekret. Wurde dann weiß. Sie wollen Josef heute die Haare schneiden. Wir lachen. Beide. Schon lange haben wir darüber gesprochen. Josefs Haare sind sehr lang geworden. Das Krampfmedikament sorgt dafür, dass die Haare schneller und kräftiger wachsen. Josef so unglaublich schöne und lange Wimpern hat. Nun wird er einen Haarschnitt bekommen.

Eine Locke, sage ich. Bitte behalte eine Joseflocke. Für später, denke ich. Für später. Einatmen und Ausatmen.

Klara und ich sind beim Bäcker. Brötchen und Milchhörnchen werden gekauft.

In der Ferienwohnung frühstücken wir lange. Erzählen. Lachen. Irgendwann gegen Mittag machen wir uns fertig. Fertig für das Meer. Fertig für einen langen Spaziergang.

Wir schlendern los. Gehen in kleine Buchläden. Flanieren am Strand. So, wie es sich gehört. Wir sind angekommen. Hier. Das Meer rauscht. Wir sammeln Steine. Wollen auch große Steine für das Kinderhospiz mitbringen. Steine, die bemalt werden können. Für den Erinnerungsteich.

Gegen Nachmittag gehen wir wieder in die Ferienwohnung. Trinken Kaffee. Tee. Lesen Zeitschriften. Spielen mit unseren Kindern. Lachen. Lachen viel. Gehen nochmal los. Einkaufen für das Abendessen. Bummeln. Ich kaufe mir eine Hose. Kann mich darauf einlassen und kaufe mir etwas. Wann habe ich mir das letzte Mal etwas gekauft? Das war noch vor Josef. Oder?

Es tut mir gut. Hier zu sein. Mich auch sicher zu fühlen. Mit meinen Freundinnen. In der Ferienwohnung lesen wir den Kindern vor. Kochen Nudeln. Mit Tomatensoße.

Ich rufe Uli an. Frage. Gut, sagt Uli. Mir geht es gut. Josef auch. Er hat eine schicke neue Frisur. Der Josef. Es geht Josef gut. Keine Krämpfe heute. Das Sekret fließt gut. Er schläft auch schon, sagt Uli. Schön, sage ich. Schön. Dann hatten wir alle einen schönen Tag. Ja, sagt Uli. Ja. Ich freue mich, sagt Uli auch. Freue mich auf euch. Morgen. Wir umarmen uns durchs Telefon.

Langsam wird es dunkel. Wir machen eine Nachtwanderung mit den Kindern. Taschenlampen haben wir mit. Laufen Richtung Meer. Hören es rauschen. Das Meer. Ganz intensiv. Anders spürbar als am Tag. Die Kinder leuchten mit ihren Taschenlampen. Wir erzählen Geschichten. Dann lassen wir uns den Weg in die Ferienwohnung leuchten. Die Kinder sind müde und erschöpft.

Ich bringe Klara ins Bett. Lese ihr vor. Mache das Hörspiel an. Küsse sie. Auf ihren Kopf. Bin glücklich über die Tage. Ganz unbeschwert. Wir Freundinnen sitzen zusammen. Lange. Erzählen. Auch ernste Themen. Weil die ernsten Themen Platz haben. Am letzten Abend. Dann gibt es leichte Geschichten. Und die Verbundenheit ist spürbar, weil wir uns schon lange kennen.

Irgendwann gehen wir ins Bett. Ich liege noch wach. Versuche zu lesen. Kann mich schlecht konzentrieren. Irgendwie ist mir die Konzentration abhanden gekommen. Dann schlafe ich ein. Einfach so.

Zuletzt aktualisiert am: 29.03.2021


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