, Zu Hause 2

Der Wecker klingelt. Es ist 7.00 Uhr. Die Katze liegt auf Ulis Sachen. Die Katze. Ich stehe auf. gehe ins Bad. Kaltes Wasser in meinem Gesicht. Ich gehe in die Küche. Setze Wasser auf. Für Tee. Kaffee. Decke den Frühstückstisch.

Es ist diesig heute. Neblig. Das tut gut. Nebel. Einhüllend. Niemand sieht mich. Die Sonne scheint heute nicht provozierend in mein Gesicht. Klara kommt. Kuschelt sich an mich. Ich küsse sie. Auf ihren Kopf.

Uli setzt sich zu uns. Wir reden. Wenig. Heute. Klara geht los. Los in die Schule. Ich winke ihr. Bis ich sie nicht mehr sehe. Wie tapfer sie ist, meine Klara. Wie tapfer. Uli und ich. Wir trinken Kaffee. Sind still. Ganz still.

Ich gehe in Josefs Zimmer. Lege mich in sein Bett. Tränen. Ich stehe auf. Spüre. Das Bett hat nichts mehr mit Josef zu tun. Es verändert sich. Seine Bedeutung verändert sich. Kann Josef nicht herholen. Wenn ich mich in sein Bett lege. Das Bett ist ein Bett. Wird zu einem Bett, das mir fremd ist. Es ist nur ein Bett.

Ich stehe auf. Wir ziehen uns an. Fahren an den See. Laufen und laufen. Es regnet. Das tut gut. Der Regen. Nicht reden. Ganz still sein. Nur der Regen. Die Füße bewegen sich. Irgendwann fahren wir wieder zurück. Es ist Mittag. Die Wahrnehmung der Zeit hat sich verändert. Alles verändert sich. Eine andere Zeit. Außerhalb. Von.

Die Bedeutung der Gegenstände verändert sich. Ich. Verändere mich. Ich. Auch. Wir sitzen im Wohnzimmer. Heißer Tee. Uli sagt, wir müssen was essen. Müssen wir, Uli? Müssen wir? Ja, sagt Uli. Ja. Es gibt Brot. Für mehr reicht es nicht. Kein Hunger mehr. Kein Hunger.

Es klingelt. Die Bestatterin. Wir wollen sprechen. Über die Beerdigung. Und da. Da spüre ich Energie. Kraft. Alles das, was ich tun kann für Josef, fühlt sich kraftvoll an. Energievoll. Da ist sie da. Dafür ist sie da. Wir reden lange. Sehr lange. Sie hat Zeit. Für uns. Das ist gut.

Wir erzählen von Josef. Von ihm. Seinem Wesen. Überlegen, was zu ihm passen würde. Keine Luftballons, sagen wir. Auch wegen der Flugzeuge über dem Friedhof. Keine Seifenblasen. Nein. Das passt nicht.

Eine Predigt, ja. Unsere Seelsorgerin wird sie halten. Wir werden morgen mit ihr sprechen. Darüber. Lieder wollen wir singen. Blütenblätter für das Grab. Kein Sand. Nein. Kein Sand. Blütenblätter für sein Grab. Bunte Blütenblätter.

Klara kommt. Kommt aus der Schule. Kakao, meine Klara? Kekse? Ja. Klara setzt sich zu uns. Wir reden gemeinsam. Die Kerze möchte sie tragen, sagt sie. Möchte vor dem Sarg gehen. Mit einer Kerze in der Hand. Ob das geht? Warum nicht, sagt die Frau. Warum nicht? Den Sarg, sage ich. Den Sarg wollen wir tragen. Zusammen mit einem Freund und dem Pfleger. Geht das? Sie weiß es nicht, sagt sie. Das müssen wir mit der Friedhofsverwaltung absprechen. Machen wir, sagt Uli. Machen wir.

Die Grabstelle haben wir uns ausgesucht. Waren dort auf dem Friedhof mit der Verwalterin, sage ich. Die Grabstelle ist reserviert. Ein Glück, war das. Ein Glück. Ich hatte schon Angst, sage ich, jemand könnte sie uns wegnehmen. Diese Stelle für Josef. Solange haben wir danach gesucht. Nach dieser Stelle. Merkwürdige Angst. Jemand könnte uns die Grabstelle wegnehmen.

Wir sprechen weiter. Über die Eröffnung der Bestattung. Wie wollen wir die Menschen einladen, mit in die Kapelle zu kommen? Wie? Die Bestatterin sagt, vielleicht kann jeder ein Teelicht bekommen und es auf den Sarg stellen. Noch einmal innehalten. Einen Moment für sich und Josef haben. Gut, sagt Uli. Gut.

Über Blumen sprechen wir. Blumen für Josef. Herbstblumen, sage ich. Es ist doch Herbst. In Herbstfarben. Sie gibt uns die Telefonnummer einer Floristin. Zusammen mit ihr können wir die Blumen aussuchen. Auch zusammenstecken. So wie wir es wollen.

Energie fließt. Es tut mir gut. Zu planen. Etwas zu tun. Für Josef. Noch einmal etwas tut. Einatmen und Ausatmen, mein Josef. Einatmen und Ausatmen. Das machen wir jetzt für dich mit, mein Josef. Für dich mit.

Die Bestatterin verabschiedet sich. Langsam. Gibt uns Adressen und Telefonnummern. Von einer Buchhandlung. Spezialisiert sind sie auf Trauer. Und von Steinmetzen. Für einen Grabstein. Vielleicht. Später. Irgendwann. Dann geht sie endgültig. In den Regen hinaus.

Tränen. Sie fließen über mein Gesicht. Wir kuscheln uns ein. In Decken. Heißer Tee. Wir schauen fern ohne etwas zu begreifen. Abendbrot. Brot. Klara liest uns vor. Wir machen ihr das Hörspiel an. Grüße und Küsse an Josef durch die Stadt. Es beruhigt mich zu wissen, wo er ist. wo er liegt. Josef, mein Josef. Schlaf.

Zuletzt aktualisiert am: 14.10.2019


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