Lange bin ich wach. Lange schon.

Wir sitzen dort. Verstehen uns nicht. Sind leise. Das Meer rauscht in uns. Wie dein Atem, Josef. Wie dein Atem. Wir versuchen, eine Kerze anzuzünden. Schaffen es. Irgendwie.

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Um 7.30 Uhr werde ich wach.

Wir halten uns. Uli und ich. Die Kinder hüpfen durch den Schnee. Schmerzlich schön ist das. Schmerzlich und tröstend. Der Schnee. Eine Schneedecke für dich, mein Josef. Eine Schneedecke. Ganz beschützend, mein Bär. Ganz beschützend.

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Um 7.00 Uhr klingelt der Wecker.

Darf die Beerdigung seines eigenen Kindes schön sein? Darf ich es so empfinden? Schmerzhaft schön? Stimmig mit Josef und uns? Darf ich es sagen, ohne fragend beäugt zu werden? Ich darf. Das spüre ich. Dafür bin ich dankbar.

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Es ist 7.00 Uhr. Der Wecker klingelt.

Klara kuschelt sich an mich. Ich küsse sie. Sage immer wieder, es ist schon gut, meine Klara. Ist schon gut. Nichts ist gut, denke ich. Nichts. Doch für Klara müssen wir wieder gut werden, Uli. Für Klara.

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Um 7.00 Uhr klingelt der Wecker.

Sie sagt, sie hat uns angesehen, wie es uns ging. Ganz dünn waren wir. Die Haut ganz dünn. Wurde immer dünner mit den Monaten. Immer dünner. Riss fast. Die Haut.

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Der Wecker klingelt. Es ist 7.00 Uhr.

Es tut mir gut, mit Menschen zu sprechen, die ihn kannten. Die sagen, weißt du noch? Die sich erinnern. Fragen. Wie war das nochmal? Erzählen von ihrem Erleben mit ihm. Mit uns. Die lachen. Mit uns. Die uns aushalten.

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Ich bin wach. Schon lange.

Wir gehen los. Ziehen um die Häuser. Die Kinder klingeln. Wir warten vor den Türen. Andere Kinder begegnen uns. Verkleidet. Wie gut das ist. So eine Verkleidung. Denke ich. Ein Mantel. Wie gut.

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Nachspüren: Die Ansprache für Josef

So liegt in aller Müdigkeit etwas Schönes und Tröstliches, eine Begeisterung über ein Kind, das mit seinem kurzen und schweren Leben euch, seine Eltern und seine Schwester und mit ihnen viele Menschen bewegt, berührt und verändert hat.

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Schon lange bin ich wach. Schon lange.

Die Glocken läuten. Schmerz. Nur Schmerz. Eine andere Form von Schmerz. Ich spüre die Schwere des Sarges nicht. Die Menschen. Sie bilden eine Gasse. Wir gehen hindurch. Laufen zum Grab. Hinter uns. Die Menschen.

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Ich bin wach. Schon lange. Es ist 7.00 Uhr.

Dann. Stehen Josefs Sachen im Hof. Werden eingeladen. In den Transporter. Ich stehe am Fenster. Weine. Schluchze. Laut. Sehr laut. Josefs Zimmer gibt es nicht mehr. Seine Sachen gibt es nicht mehr. Werden nun aufbereitet für andere Kinder.

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Um 7.00 Uhr klingelt der Wecker.

Uli und ich wollen den Sarg tragen. Mit einem Freund und dem Pfleger. Möchten Josef mit den eigenen Händen zu Grabe tragen. Josef. Ein letztes Mal tragen. Unseren Josef. Es ist uns wichtig. Ein letztes Mal etwas tun.

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Der Wecker klingelt. Es ist 7.00 Uhr.

Wie wollen wir die Menschen einladen, mit in die Kapelle zu kommen? Wie? Die Bestatterin sagt, vielleicht kann jeder ein Teelicht bekommen und es auf den Sarg stellen. Noch einmal innehalten. Einen Moment für sich und Josef haben.

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Um 7.00 Uhr bin ich wach.

Uli steht vor einem großen Stein. Einem Findling. Sagt, das ist er. Das ist Josefs Stein. Wir lachen. Sind dann ganz berauscht von dem Gedanken. Ja, Josef bekommt einen riesigen Findling. Wir malen ihn an, sagt Uli. Jetzt. Hier. Heute.

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Josef, mein Josef. Du bist nicht bei uns.

Uli fährt das Auto. Durch die Stadt. Parkt. An den Friedhöfen. Dann laufen wir. Es regnet. Immer Regen. Der Himmel weint. Josef, mein Josef. Der Himmel weint. Wir auch. Wir suchen den Ort, mein Josef. Für dich. Für uns.

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Klara schreibt. Mein Wecker klingelt um 7.07 Uhr.

Die Lehrerin sagt etwas über Josef. Ich komme nach vorne, zeige Fotos. Ich setze mich wieder. Meine Sitznachbarin flüstert mir zu, sie würde an meiner Stelle jetzt weinen. Ich ignoriere sie, aber ich bin verletzt und denke mir, wieso?

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Ich bin wach. Klara schläft. Ich küsse sie.

Dann legen wir den Sargdeckel auf den Sarg. Tränen. Wir schrauben ihn zu. Den Sargdeckel. Mich durchströmt ein Gefühl von Sicherheit. Ruhe und Sicherheit.

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Um 5.00 Uhr bin ich wach. Klara schläft.

Ich rufe in der Schule an. Sage freundlich, Klara kommt nicht. Ihr Bruder ist am Samstag gestorben. Die Worte am anderen Ende höre ich nicht mehr.

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Klara schläft. Ganz eingekuschelt liegt sie im Bett.

Die Hauswirtschaftsfrau hat einen Kuchen gebacken. Kaffee. Tee. Wasser. Klara. Klara, meine Klara. Sie kommt und geht. Spielt mit den Geschwisterkindern. Blumen. Viele Blumen.

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Die Schwester sagt: Klara kommt.

Sind so stolz auf Josef. Er hat es so gut mit uns gemacht. Ist nicht in einer Krise gestorben. Immer wieder sagen wir diese Worte.

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Klara schreibt. Heute bin ich früh aufgewacht.

Als sie mich dann zu Hause absetzten, sah ich schon zwei Ärzte vor unserem Haus. Ich dachte mir nichts dabei. Ich ging ins Haus und die Treppe hoch zu unserer Wohnung.

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