, Kinderhospiz

Gegen 6.00 Uhr werde ich wach. Ich bleibe liegen. Schaue aus dem Fenster. Ich liege. Und schaue aus dem Fenster. Klara und Uli schlafen. Es ist ganz ungewohnt, nur so zu liegen. Ich muss mich fast zwingen dazu. Liegen zu bleiben. Nicht aufzuspringen.

Ändern, denke ich. Wir müssen etwas ändern. Anders machen. Ich stehe auf. Dann doch. Gehe ins Bad. Dusche. Wie gut es mir tut. Das Duschen. Ohne das Gefühl, jemand Fremdes hört mich.

Uli und Klara sind wach. Sie schauen niederländisches Kinderfernsehen. Ich setze mich dazu. Lasse die Bilder an mir vorbeiziehen. Josef. Wie gern würde ich ihn halten. Ihn küssen. Wie schön wäre es, wenn er hier wäre. Nur wir vier. Hier in diesem Hotelzimmer. Wie schön das wäre.

Es ist 8.00 Uhr. Ich bin aufgeregt. Etwas unruhig. Wie es Josef wohl geht? Wie geht es dir, mein Josef? Denke ich. Ich rufe im Kinderhospiz an. Die Mama von Josef ist am Telefon, sage ich. Ich werde durchgestellt.

Ich frage die Schwester nach der Nacht. Josef hat durchgeschlafen. Alles gut. Um 7.00 Uhr war er wach. Jetzt schläft er wieder, sagt die Schwester. Ich lasse ihn schlafen. Ja, sage ich. Mein Josef. Das soll er ruhig. Schlafen. Wir wünschen uns gegenseitig einen schönen Tag.

Wir frühstücken. Sitzen lange beim Frühstück. Trinken Kaffee. Tee. Lassen den Blick schweifen. Über diese Stadt. Dieser weite Blick. Uli, sage ich. Ändern. Lass uns was ändern. Wir brauchen Raum, sage ich. Ich denke, wir brauchen Raum. Raum für Josef und die Schwestern. Raum für uns. Raum zum Atmen. Raum zum Sein. Was denkst du?

Ja, sagt Uli. Raum. Lass uns nach einer Wohnung suchen, sage ich. Ja, sagt Uli. Was ändern. Eine Wohnung suchen. Für Josef, die Schwester und uns. Eine Wohnung, in der wir sein können. Ohne uns zu stören. Ohne uns den Raum wegzunehmen. Das wäre gut.

Ja, sage ich. Ja. Josef ist da. Bei uns. Er braucht sein eigenes Zimmer. Mit den Schwestern. Wir brauchen auch unsere eigenen Zimmer. Unser Wohnzimmer. Ein Garten wäre schön. Erdgeschoss. Dann können die Schwestern mit Josef in den Garten. Ohne Treppen. Das wäre traumhaft. Wie ein Traum. Eine barrierefreie Wohnung. Mit Garten. Jeder hat seinen Raum. Dann stören wir uns nicht mehr. Vielleicht.

Können ungestört sein, wenn wir wollen. Duschen, ohne gehört zu werden. In den buntesten Farben malen wir uns das Leben mit Josef aus. Denken daran, was wir alles brauchen. Rampen. Ein großes Bad. Schön wäre eine Pflegewanne. Wir müssen lachen. So etwas können wir uns gar nicht leisten. Eine Pflegewanne. Aber schön wäre es trotzdem.

Wir planen. Große Räume. Platz für das Pflegebett. Für den Therapiestuhl und für alles, was Josef brauchen wird. Klara wird ihr Zimmer haben. Ein eigenes Bad für die Krankenschwestern. Mit Wasserkocher. Vielleicht mit kleiner Kochnische. Ach. Ach. Ach. Wie im Rausch erzählen wir. Wir planen Zukunft, mein Uli. Wir planen Zukunft mit unserem Josef und unserer Klara.

Wir planen. Das ist schön. Weil, mit Kindern muss man doch planen. Die Zukunft. Ein wenig Zukunft.

Wir tauchen wieder ein. In die Stadt. Es regnet ab und zu. Durch die Straßen lassen wir uns treiben. Ohne Plan. Das tut gut. Mal ohne Plan zu sein. Ohne Tagesplan. Mit Josefs Augen schauen wir uns die Stadt an. Überall sind Rampen. Hier könnten wir vielleicht auch mit Josef sein, sage ich zu Uli.

In einer Straße entdecken wir ein Kind im Rollstuhl. Wir lächeln ihm zu. Dem Kind und den Eltern. Die gar nicht wissen. Um Josef. Hier sind wir ja nur eine kleine Familie. Es sieht ja niemand. Dass wir den Josef haben. Die Eltern lachen zurück. Das ist schön.

Am späten Nachmittag rufe ich im Kinderhospiz an. Anne ist am Telefon, sage ich. Ich werde weitergereicht. Wir sind im Garten, sagt die Schwester. Josef geht es gut. Das Sekret war etwas gelblich. Nun ist es wieder weiß. Es wird viel mit Josef gekuschelt, sagt die Schwester. Es geht ihm wirklich gut. Genießt die Tage in Amsterdam.

Danke, sage ich. Bis morgen. Und danke. Danke, dass ihr. Den Josef. Ach, danke. Im Hotelzimmer. Ich lese Klara vor. Sie schläft gleich ein. Sie ist so müde. Von den vielen Straßen. Der Stadt. Uli schaut im Internet. Nach Wohnungen und Häusern. Ist ganz vertieft in der Suche. Ich sitze am Fenster. Schaue in die Ferne. Über die Stadt. Ach, wenn Josef hier wäre. Mein Bär. Wahrscheinlich schläft er schon, mein Josef. Dann gehe ich ins Bett. Schlafe.

Zuletzt aktualisiert am: 29.07.2020


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