, Zu Hause 2

Schon lange bin ich wach. Schon lange. Ich stehe auf. Gehe ins Bad. Wasche mich. Kaltes Wasser in meinem Gesicht. Gehe in die Wohnküche. Setze Wasser auf. Für Tee. Kaffee. Decke den Frühstückstisch.

Klara kommt. Kuschelt sich an mich. Ich küsse sie. Auf ihren Kopf. Aufgeregt ist sie. Sagt sie. Weiß nicht, ob sie es schafft, mit der Kerze vor Josefs Sarg zu laufen. Ich halte sie in meinem Arm. Sage, Klara du musst nichts. Musst nichts müssen. Ja, sagt sie. Ja.

Uli kommt. Wir sind still. Ganz konzentriert. Mit allen Sinnen da. Aufgeregt bin ich. Ich werde den Sarg von Josef sehen. Zeit mit ihm haben. Mit ihm in seinem Sarg.

Es klingelt. Mein Herz. Bis zum Hals. Die Mutter einer Freundin von Klara ist da. Gibt uns Blumen und einen Engel. Für Josef, sagt sie. Kann heute nicht dabei sein. Muss arbeiten. Danke, sage ich. Danke. Dann ist sie weg. Wir trinken Kaffee. Klara Kakao. Essen kann ich nichts.

Dann. Fahren wir los. Los zum Friedhof. Ich habe Angst, wir könnten zu spät kommen. Mein Herz. Bis zum Hals. Es ist bedeckt. Kein Regen. Wir sind da. Dürfen mit unserem Auto auf den Friedhof fahren. In eine großen Tasche haben wir die Taufkerze von Josef. Ein großes Bild. Bemalte Steine. Das Tragetuch. Taschentücher.

Die Bestatterin ist schon da. Sagt, Josef ist schon in der Kapelle. Als wüsste sie, wie sehnsüchtig ich auf diesen Moment warte.

Wir gehen in die Kapelle. Der Sarg steht da. Ich gehe zu ihm. Setze mich zu ihm. Berühre den Sarg. Josef, mein Josef. Ich bin ganz bei dir, mein Josef. Ganz bei dir. Freunde kommen. Sind schon da.

Die Frau mit den Blumen kommt. Bunte Herbstblumen für Josef. Das Bild von Josef steht links neben seinem Sarg. Wir stellen Josefs Taufkerze auf seinen Sarg. Mein Herz. Außerhalb von.

Unsere Seelsorgerin kommt. Ich fühle mich sicher. Wir sprechen noch einmal kurz über den Ablauf.

Der Musiktherapeut ist da. Setzt sich mit seiner Gitarre links neben Josefs Sarg. Unser Pfleger ist da. Und unser Freund. Wir sprechen. Kurz. Wer wo Josefs Sarg nimmt. Wie wir den Sarg raustragen. Mein Herz. Außerhalb. Von.

Die Bestatterin. Im Hintergrund. Ganz zurückgenommen. Und doch da. Verlässlich da. Sie zündet Kerzen an. Teelichter. Für die Menschen. Die Menschen die kommen.

Uli, Klara und ich gehen vor die Kapelle. Menschen sind da. Freunde. Eltern. Ärzte. Das SAPV-Team. Therapeuten. Freunde von weit her. Schwestern und Pfleger aus dem Kinderhospiz. Die Hauswirtschaftsfrau. Die Geschwisterkinder. Freunde. Freunde. Freunde. Der Physiotherapeut aus dem SPZ. Eltern aus dem Kinderhospiz. Die Pflegedienstleitung. Keine Schwester vom Pflegedienst.

Wir bitten die vielen Menschen in die Kapelle. Sie tragen Teelichter. Stellen sie auf Josefs Sarg. Er leuchtet. Sein Sarg. Das ist schön. Ganz schön, mein Josef. Ganz schön. Blumen werden hingelegt. Viele Blumen.

Die Andacht. Wie in Trance. Wir singen. Atmen. Immer wieder Atempausen. Musik wird gespielt. Tränen. Viele Tränen. Dann gehen die Menschen aus der Kapelle. Wir pusten die Kerzen aus.

Nehmen den Sarg von Josef. Uli und ich vorn. Hinter uns. Unser Freund. Unser Pfleger. Klara geht mit unserer Seelsorgerin voran. Die Glocken läuten. Schmerz. Nur Schmerz. Eine andere Form von Schmerz. Ich spüre die Schwere des Sarges nicht. Die Menschen. Sie bilden eine Gasse. Wir gehen hindurch. Laufen zum Grab. Hinter uns. Die Menschen.

Wir stellen den Sarg auf Balken, die über dem Grab liegen. Ich zittere. Weine. Friedhofsmenschen lassen dann den Sarg vorsichtig ins Grab hinab. Wir stehen dabei. Daneben. Halten uns. Tränen.

Unsere Seelsorgerin spricht. Wir singen. Flugzeuge über unseren Köpfen. Fliegen den Flughafen. Ankommen und Wegfliegen. Ankommen und Wegfliegen. Blumenblätter. In Josefs Grab. Umarmungen.

Klara langweilt sich. Die Bestatterin nimmt sie mit. Sie räumen die Kapelle auf. Die Sonne zeigt sich. Ganz zart. Hinter den Wolken. Die vielen Menschen verabschieden sich. Wir bleiben noch.

Nach Hause.

Am späten Nachmittag fahren wir wieder zu Josef. Ein Hügel. Ein Sandhügel. Wir legen die Blumen zurecht. Die bemalten Steine. Fahren nach Hause. Gehen ins Kinderhospiz. Essen Kuchen. Weil es sich so anfühlt. Dort zu sein. Am späten Nachmittag.

Zu Hause. Das Gefühl, Josef ist an einem sicheren Ort. Leichtigkeit in der Schwere. Einatmen und Ausatmen.

Zuletzt aktualisiert am: 21.10.2019


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